Australia Day

Seit fast vier Wochen habe ich schon eine Event-Einladung in meiner Facebook-Request-Section. Sie ist für den 26. Januar 2010 und verspricht ein tolles Barbecue, eine Pool-Party und jede Menge Spirituosen. Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass der Australier ja ohnehin ein großer Fan aller drei dieser Dinge ist. Nichtsdestotrotz steigt diese beworbene Party aus einem ganz speziellen Anlass. Dabei ist nicht das Jahr, sondern vielmehr der Tag entscheidend. Am 26. Januar wird auf dem gesamten Kontinent nämlich der „Australia Day“ zelebriert und der ist hier unten mindestens so wichtig wie Weihnachten oder Silvester.

Die Tradition um den 26. Januar begann schon im frühen 19. Jahrhundert (jeder der sich schon mal ein wenig mit dem letzten Kontinent beschäftigt hat, weiß, dass das, wenn es um westliche Geschichte geht, so ziemlich das früheste Datum von Relevanz darstellt) in Sidney, wo Geschichtsbücher das Datum als First Landing Day oder Foundation Day festhielten. 1788 erreichte Captain Arthur Phillip, Kommandeur der ersten Flotte von elf englischen Gefangenenschiffen und erster Gouverneur von New South Wales, Sydney Cove an der Ostküste. Das Hissen des Union Jack symbolisierte die britische Okkupation der östlichen Hälfte des Kontinents, auf den zum ersten mal Captain James Cook am 22. August acht Jahre zuvor Anspruch erhob.

Viele Immigranten, im speziellen Strafgefangene oder deren direkte Nachkommen die sich in Sydney niederließen, begannen die neu gegründete Kolonie mit einem jährlichen Dinner zu feiern, ein Festival der Emanzipation ihrer neuen Heimat, um ihr Land und ihre Liebe zu ihm zu zelebrieren. Gouverneur Lachlan Macquarie machte dann zu Ehren des 30. Geburtstags dieses Festes, im Jahr 1818 den 26. Januar zu einem gesetzlichen Feiertag. Dreißig Gewehrschüsse wurden abgefeuert, 30 Schüsse für 30 Jahre britische Zivilisation. Macquarie’s Nachfolger setzten diese Tradition fort.

Während des Festaktes 1826 wurde ein neues Wort zum Toast hinzugefügt: Australia. Der neue Name des Kontinents wurde zuerst von Matthew Flinders vorgeschlagen der in seinen Aufzeichnungen „Voyage to Terra Australis“ die Umseglung des Kontinents von 1801 bis 1803 beschrieb. 1817 versuchte Macquarie den Namen der zunächst äußerst skeptischen britischen Regierung schmackhaft zu machen. Obwohl der Name zunächst noch alles andere als offiziell war, wurde er Down Under vom allem von den so genannten „Emanzipisten“ mit Begeisterung aufgenommen. Der Berühmteste von ihnen, William Charles Wentworth, gründete mit einem befreundeten Advokaten 1824 die erste unzensierte australische Zeitung: The Australian.

Die Emanzipisten begannen sich immer stärker mit Australien zu identifizieren und in dem jährlichen Dinner einen symbolisch immer bedeutsameren Akt zu sehen. So stark entwickelte sich ihr Patriotismus, dass 1837 nur noch in Australien geborene zum Festmahl zugelassen waren. Wentworth der eingeladen wurde dem Essen als Ehrengast beizuwohnen lehnte, den starken Patriotismus missbilligend, ab. Er fühlte sich, jetzt nachdem er ein wohlhabender Gutsherr geworden war, stärker seinen ehemaligen Feinden verbunden, den „Exclusives“, als seinen Befürwortern, die sich für mehr Wahlrecht fürs Volk einsetzten. In diesem Jahr wurde das Fest um die erste Sydney Regatta erweitert: der Beginn einer neuen Tradition - einer die noch bis Heute andauert, wie ich am nächsten Tag im Fernsehen sehen kann. Tausende von Booten kreuzen am 26. in der Bucht. Das ist schon ein ziemliches Spektakel. So bunt sah das damals vielleicht noch nicht aus, aber dafür gab es fünf verschiede Bootsrennen, darunter eins speziell für Walboote. Die offizielle Stadtzeitung schrieb 1837 über den Australia Day, er solle ein Tag sein der komplett dem Genuss verschrieben ist.

Vielleicht um der Ostküste ein wenig die Schau zu stehlen, ist für Westaustralien der heutige Australia Day dann doch noch ein Stückchen besonderer als er das für den Rest des Landes ist. Mehr als 1000 Westküstler versammeln sich morgens, als ich gerade mein Grillfleisch und den Schnaps zusammen packe, am Cottesloe Beach, um einen neuen Weltrekord aufzustellen. Und nicht irgendeinen Weltrekord: es geht um die längste Reihe von aufblasbaren Wassertier-Flipflops. Insgesamt tauchen an dem Morgen 1301 Personen mit Gummi-Flipflops auf um sich in die Schlange einzureihen und so kann am Australia Day 2010 die Westküste der Ostküste einen Weltrekord abnehmen.

Letztes Jahr versammelten sich nämlich 908 Jungs und Mädels aus Sydney und stellten den Rekord am Bondi Beach auf. Aber so spaßig die Bilder vom Cottesloe Beach auch aussehen, die ich mit relativ mildem Kater am nächsten Morgen auf der Couch im Fernsehen begutachten darf, die Show in Sydney ist doch eine Nummer eindrucksvoller. Alleine, dass sich die ganzen Boote nicht gegenseitig rammen finde ich schon faszinierend. Kein Wunder, dass die Regatta schon damals schnell die Hauptattraktion des gesamten Australia Day wurde. Die Bewohner der Stadt sahen die Rennen als perfekte Gelegenheit für einen Tagesausflug, packten Picknick-Körbe und schnell entwickelte sich auch der Brauch, Freunde und Familie auf das Privatboot einzuladen, um das Ganze aus nächster Nähe betrachten zu können.

Durch die immer größer werdende Ansammlung von Menschen, wurde auch das traditionelle und symbolische Hissen der Nationalflagge (die sich im Laufe der Jahre mehrmals ändern sollte) von immer mehr Leuten gesehen und gefeiert.

Unter den vielen Toasts, die 1838 bei dem feierlichen Dinner ausgesprochen wurden, war auch einer, der an die Schwesterkolonien gerichtet war: Tasmanien (damals noch Van Diemen’s Land, Westaustralien und Südaustralien. Diese Kolonien feierten ihren eigenen Jahrestag und nicht den von New South Wales. Mit dem Regatta Day Anfang Dezember wurde Abel Tasmans Inanspruchnahme der Insel Tasmanien für Holland und der Proklamation für seine Unabhängigkeit von New South Wales 1825 gedacht. Der Foundation Day am ersten Juni wurde in Westaustralien als der Tag gefeiert, der die Ankunft der ersten Siedler in Westaustralien sah und Proclamation Day am 28. September wurde ein Feiertag für den Regierungsbeginn in Südaustralien.

Gemeinsam mit Repräsentanten aus den anderen Kolonien wurde der 26. Januar zum ersten Mal 1888 gefeiert. Auch Neuseeländer waren dabei zugegen. Victoria hatte sich 1851, Queensland 1859 selbständig gemacht. 1863 wurde die Kontrolle über das nördliche Territorium von New South Wales auf Südaustralien übertragen. Nur Westaustralien war 1888 (aus Gründen die ihr hier nachlesen könnt: http://perth-australien.com/fremantle-prison/) noch nicht selbständig.

Die Einstellung der Einzelnen zur gemeinsamen Feier war jedoch gemischt. Der Vertreter für Südaustralien legte großen Wert darauf mehrfach zu betonen, dass New South Wales, obwohl älter, doch keine Vaterkolonie der anderen wäre, die allesamt ihre eigene Geschichte und eigenen Feiertage hätten. Dieser 26. Januar sei also in keiner Weise ein gemeinsamer Geburtstag; zu stark hänge die Idee von Australien mit den unglücklichen Umständen der ursprünglichen Besiedlung zusammen. Dennoch waren die Südaustralier gewillt, den 26. Januar als den Tag zu feiern, der die erste Stufe einer australischen Kolonisierung huldigen sollte. Sie erkannten an, dass, obwohl der Tag auch eine spezielle Bedeutung für New South Wales hätte, alle Kolonien an einem Fest teilnehmen sollten, welches doch in Wirklichkeit in Spiritualität und Patriotismus zu einem nationalen Feiertag gehörte. Australier seien doch letztendlich eine Familie, wegen des gemeinsamen britischen Hintergrundes den alle teilten.

Es waren die Schreiber der „West Australian“, der Zeitung die jetzt, einen Tag nachdem das Fest vorüber ist, neben mir auf dem Couchtisch liegt, die damals voraussagten, dass der 26. Januar früher oder später ein nationaler Feiertag werden würde, den jeder Bewohner des letzten
Kontinentes feiert. Und so ist es dann ja auch tatsächlich passiert. Damals wurde der Tag wahrscheinlich noch nicht im heimischen Swimmingpool, bei russischem Wodka und amerikanischer Brause gefeiert und auch das Feuerwerk mag damals noch nicht so gigantisch, oder vielleicht auch noch gar nicht existent gewesen sein.

Aber die ausgelassene Stimmung, die Liebe zu und der Stolz auf ein Land das einst das Abstellgleis für unbeliebte und kriminelle Briten darstellte und heute ein so beliebter und respektierter Kontinent ist, den habe ich gestern mit den Leuten geteilt, die den 26. Januar schon vor über hundert Jahren feierten.