Leben in Perth
Studentenleben in Perth? Es gibt immer was zu tun! – Ein Erfahrungsbericht von Hendrik
Glücklicherweise habe ich ein Zimmer im angrenzenden College bekommen. Nicht auszudenken, wie ich sonst mit den Kopfschmerzen zur Uni kommen würde. Es ist 7:30 am Morgen und schon ziemlich warm draußen als ich mit roten Augen und fiesem Kater aus meinem Zimmer stolpere. Naja, immerhin scheine ich noch glimpflich weggekommen zu sein, denn im Flur liegt der arme Steve immer noch genau so da, wie wir ihn gestern Abend verlassen haben, eine flasche Toohey’s Extra Dry (ein lokales Gebräu) in der Hand. Irgendjemand hat ihm vorm zu Bett gehen mit einem Strandhandtuch zugedeckt, was irgendwie rührend aussieht. Ich steige über den armen Kerl hinweg und gehe runter in die Dining Hall wo das Frühstück serviert wird. Auch wenn ich nicht mehr ganz genau weiß, was gestern Abend passiert ist, kann ich doch genau erkennen wer alles dabei war: die kleinen Augen, der geringe Appetit und die raue Stimme verraten sie alle!
Ich schlurfe mit einem Kaffee in der Hand über den Hof und schließe mich kurz darauf dem stetigen Strom der Studenten an, die genau so früh wie ich zur Uni müssen. Bei dem schönen Campus und diesem Wetter ist der Kater aber schnell vergessen. Ich sitze in einem abgedunkelten Raum und lausche den Geschichten eines alten Engländers der uns in die „Business History“ Australiens einführt während draußen vor dem Fenster die australischen Krähen sich die Seele aus dem Leib brüllen. Down Under ist das Geschrei der gemeinen Krähe nämlich von ganz anderem Kaliber als bei uns zu Hause. Ich habe gerade ein paar Notizen gemacht, da ist die Stunde auch schon vorbei. Normale „Lectures“ gehen nämlich oft nur 45 Minuten. Dafür hat zwei Sitzungen pro Woche. Nächstes Fach: „Election and Mass Media“. Diesmal ist es kein alter Brite sondern ein jüngerer Amerikaner der uns erklärt, warum in Australien die Wahlwerbespots nur eine bestimmte Länge haben dürfen. Ich schreibe ein wenig enthusiastischer mit als noch im Fach zuvor, dann ist auch hier Schluss. Noch eine Vorlesung und ich sitze in der Kantine auf dem Campus, trinke eine Tasse Tee und unterhalte mich mit ein paar Freunden. So geht es in den Nachmittag, der ähnlich entspannt abläuft bevor ich dann zufrieden und voller Wissen den Fünf-Minuten-Heimweg antrete. Das Abendprogramm verspricht spannend zu werden.
Da man sich ja auch nicht jeden Tag dreimal von Mensa-Essen ernähren kann, begrüßen wir (Ian:furchtloser Krieger aus Südafrika mit eigenem Kino im Elternhaus; Ich, Jacob: hyperaktiver Kanadier mit Forscherdrang; Sarah: ebenfalls Kanadierin und der ruhende Pol der Gemeinschaft; Iris: Singapur, klein, spricht wie Kim Jong Il in Team America; Emily: Singapur aber ohne sprachliche Defizite; Sarah numero zwei: New York, behauptet dass man die Sterne mindestens so gut in NYC sehen kann wie im Outback) Toms Vorschlag uns selber ums Essen zu kümmern und dafür Krabben zu fischen. Leider sind die Viecher nachtaktiv, was unseren Aufbruch auf 00:30 Uhr hinauszögert. Da Tom (wie ich mit Grauen während der Fahrt feststellen muss) ohne seine Brille so gut wie blind ist, muss ich nicht bloß die Straßenkarte lesen (die ohnehin 10 Jahre alt und so gut wie wertlos ist) sondern auch auf sämtliche Straßenschilder achten.
Irgendjemand muss dem Verkehrsministerium in Perth mal Bescheid geben: die Straßenschilder sind eine relative Zumutung. Man kann größtenteils nur raten wo man sich gerade befindet, denn die Straßennamen ändern sich teilweise dreimal um dann wieder den ursprünglichen Namen zu erhalten.
Wir fahren in Richtung Süden, wohin genau hab ich leider vergessen, aber nach anderthalb Stunden sind wir am Strand angekommen. Nach weiteren 10 Minuten haben wir Toms Bus aus dem Sand geschoben, in dem der Bus festsitzt nachdem Tom das Schild LOSE SAND, NO VEHICLES PAST THIS POINT großzügig übersieht und ich mir gerade die Schuhe zubinde.
Die Krabben werden üblicherweise mit Taschenlampen in flachem Wasser entdeckt, da ihre Augen den Lichtstrahl reflektieren, und dann mit Netzen gefangen. Leider bleibt unsere Jagd recht erfolglos obwohl wir sogar noch einen zweiten Strand ansteuern. Fische sehen wir zwar genug, aber es sollen ja Krabben sein. Die Mädels kommen einem Fang am nächsten. Leider ist ihr Geschrei das einzige Indiz für eine Krabbe. Bis heute ist der Rest der Gruppe eher der Ansicht, dass die Mädchen eine leere Cola-Dose mit dem Schalentier verwechselten.
Es bleibt eine schöne Erinnerung und ein wirklich phantastischer Sonnenaufgang, den ich leider im Auto verschlafe. Aber Tom ist in seiner Ehre verletzt und schwört bittere Rache. Ich torkle schlaftrunken über den Flur um noch anderthalb Stunden Schlaf mit zu nehmen bevor ich wieder in die Uni muss. Sieh an: jemand hat Steve von unserem Flur entfernt. Nur ein einsamer Turnschuh von ihm liegt noch da.