Perth Campus

Campusleben in Perth

Das deutsche Campusleben

Die Vorstellung, wie bizarr, cool, ausgeflippt und witzig das Leben als Student für die deutschen Kids in der Schule sein wird, wird durch die Unterhaltungsindustrie verklärt und verzerrt, sodass, wenn es denn endlich soweit ist, nicht selten ein gewisser Grad an Enttäuschung die Euphorie, welche die neugewonnene Selbständigkeit und Emanzipation eigentlich auslösen sollte, ein wenig dämpft.

Schuld daran ist die in Deutschland beinahe nicht vorhandene Campuskultur. Prep-Ralleys, Golfwägelchen und Club-Stände säumen den Campus der Universitäten die wir als deutsche Konsumenten meistens aus Amerika in TV und Kino präsentiert bekommen. Das Gelände der Bildungsanstalt sieht eigentlich immer aus wie eine riesige Party. Wen wundert es da, wenn das Bild das man letztendlich selber als Frischling bekommt wesentlich karger aussieht.

Durch die Dezentralisierung der einzelnen Bereiche und Gebäude in den meisten Städten, bleibt man oft mit seinen fachnahen Mitstudenten unter sich und kriegt von der multikulturellen Vielfalt, die eine Universität beherbergt nicht besonders viel mit.

Also lieber auf nach Perth :-)

Darum, wer es leid ist, sich die Campus-Party lediglich als passiver Glotzer reinzuziehen, der schaltet am besten die Kiste aus, sucht sich eine passende Uni an der Westküste des letzten Kontinents und lässt für ein paar Monate die Heimatuniversität hinter sich.

Als für mich feststand, dass ich das nächste Semester in Perth verbringen würde, und ich durch die Kataloge der Unis von Westaustraliens Hauptstadt blätterte, war ich von jeder einzelnen relativ begeistert und es war nicht das umfassende Kursangebot oder die hervorragenden internationalen Qualifikationen die UWA, Curtin, Murdoch oder ECU zu bieten hatten, sondern die wunderschönen Fold-Outs, welche grüne Wiesen, Palmen und kleine Seen als den Unicampus präsentierten.
Zeitblende.

Nach diversen Telefonaten, Zetteln zum Ausfüllen und einem langen Überseeflug bin ich, nach 48 Stunden mit australischem Boden unter den Füßen, dabei meine ersten Schritte auf dem Campus der Universität von Westaustralien zu machen (das Foto vom versunkenen Garten hatte letztendlich den entscheidenden Ausschlag gegeben). Es ist O-Woche an der UWA und das bedeutet ungefähr dasselbe wie bei uns: noch keine Vorlesungen, dafür Einführungsveranstaltungen und Pub-Crawls.

Aber die Tatsache, dass die O-Woche an der UWA auf dem Campus stattfindet, lässt das ganze Spektakel mehr an Woodstock als an die heimische Orientierungswoche erinnern.

Tausende von Studenten bevölkern das Oval, den großen Sportplatz im Zentrum des Campus. Und hunderte von kleinen Ständen reihen sich aneinander. Jede Fachschaft wirbt für ihr Studienfach, jeder Club wirbt für seine Aktivität. Zu Hause hatte der Schachklub einen kleinen Zettel, der brav und unauffällig an verschiedenen schwarzen Brettern für das älteste Spiel der Welt warb. Hier kloppen sich zwei Schachfanatiker in Springer- und Turmkostüm vor Live-Publikum. Ich frage mich, wer da mehr Interessenten gewinnt.

Es gibt einen Ingenieursklub, der jedes Jahr einen Rennwagen zusammenbaut um in Melbourne an einem Rennen teilzunehmen. Es gibt den Mittelalterklub, dessen Anhänger in Gewand oder Rüstung über den Campus schreiten. Am Stand des Pokerclubs wurde schon jeglicher Versuch einer organisierten Werbung aufgegeben, stattdessen findet man im Stand fünf Kartenhaie, die schon in ihr Spiel vertieft sind. Den Anmeldezettel finde ich nur zufällig neben dem Stand im Gras. Die Liste ist schon brechend voll.

Zentralität und zwischenmenschliche Kommunikation sind die Hauptmerkmale, die einen Campus wie den der UWA so attraktiv für junge Menschen macht. Alles macht mehr Spaß, sobald viele Leute mitmachen. Es gibt sogar Stände die für Clubs und Discos in der Umgebung werben und Voucher für Gratisdrinks verteilen und vor dem Stand der Singapore Student Society (auch da werde ich stolzes Mitglied) liefern sich ein paar Jungs und Mädels eine Super-Soaker-Schlacht. Später spielen Birds of Tokyo und diverse andere Bands auf einer Campusbühne. Das ist mal eine eindrucksvolle O-Woche.

Natürlich sieht der Campus an einer australischen Universität nicht jeden Tag so aus. Die O-Week ist etwas Besonderes. Aber die Vorzüge eines Campus, der die Studenten sämtlicher Fachrichtungen auf einem Fleck versammelt sind auch trotz eines fehlenden Extrembeispiels klar erkennbar.

Es gibt auf dem Campus einen Computerladen, ein Schreibwarengeschäft und mehrere Snackbuden und Cafés. Der Knüller ist „The Tav“, die campuseigene Bar, wo man die Zeit zwischen den Vorlesungen sinnvoll bei frisch gezapftem Bier verbringen kann während ein paar Musikstudenten eine abgefahren karibische Indie-Jam-Session darbieten.

Aber auch ohne jeglichen Bezug zur für den Studenten so wichtigen rekreativen Phase, ist der Campus spitze. Die Administration für internationale Studenten ist zu Fuß in fünf Minuten erreichbar, genauso wie das Zentrum für englische Sprache, das Zentrum für Politik, Geologie, oder Mathematik.

Für Studenten mit mehreren Studienfächern ist die Nähe zum nächsten Vorlesungsort ein absoluter Segen. Jeder der schon mal bei Temperaturen von -14 Grad von einem Ende der Stadt zur anderen radeln musste, der weiß wovon ich spreche (nicht das es hier jemals zu solchen Temperaturen kommen würde). Und begeisterte Anhänger für seine Sache zu finden ist so ebenfalls viel einfacher.

Kleine Exkursionen der Wirtschaftswissenschaftler werden zu Hause meistens nur von eben jenen Wiwis wahrgenommen, eben weil die Kommunikation zu anderen, vielleicht weiter entfernt gelegenen, Fakultäten nicht hinreichend vorhanden ist.

Wenn die Theatergruppe oder die Pantomimen-Society, oder egal welche Gruppe ein neues Stück, eine Ausstellung, eine Diskussion oder einfach nur ein Get-Together hat, dann wird an einem Stand dafür geworben, an dem alle Studenten, egal welcher Fakultät, vorbeigehen. Dadurch wird der Austausch von fachspezifischen Interessen und ein besser funktionierendes Netzwerk zwischen den Studenten ermöglicht.

Vorurteile zwischen einzelnen Fakultäten wie ich sie zu Hause erlebt habe, wie das konsequente Boykottieren bestimmter Partys und das herunterrechnen von Studenten einer Fachrichtung auf ihre Kleidung oder das Vermögen ihrer Eltern, habe ich während meiner Zeit an der UWA nicht erlebt. Stattdessen treffen sich Maschinenbauer und Medizinstudenten zur halbjährlichen Essensschlacht und die Philosophiestudenten spielen gegen die Psychologiestudenten in einem Netzballturnier.

Das Miteinander ist, was den Campus ausmacht. Und wem das alles egal ist, der ist spätestens dann überzeugt, wenn ein ausgewachsener Pfau einem beim Lesen über die Schulter lugt. Okay, einen milden Herzanfall kriegt man im ersten Moment vielleicht aber danach ist man begeistert. Ehrlich.